Das Prinzip Nachhaltigkeit
Eine Gesellschaft kann dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn sie selbst existenzfähig bleibt. (...) so weitsichtig, dass sie die eigenen materiellen und sozialen Existenzgrundlagen nicht unterminiert. (Mario Günter)
Nachhaltigkeit meint die Gestaltung eines Systems in einer Weise, so dass es langfristig Bestand haben kann. Die am weitesten verbreitete Definition von Nachhaltigkeit wurde 1987 von der so genannten Brundtland-Kommission formuliert: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ (Brundtland-Bericht, 1987)
Die UN-Kommission betont mit dieser Definition die intra- und intergenerationale Gerechtigkeit, die dem Nachhaltigkeits-Konzept zugrunde liegt: zum einen die Verteilung zwischen zur Zeit lebenden Generationen als Ausgleich zwischen den Menschen, vor allem bezogen auf die Verteilung zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden. Zum anderen den Ausgleich zwischen heute lebenden und zukünftigen Generationen also der Pflicht sich im Sinne der Kinder und Kindeskinder für die Erhaltung der Umwelt und die Stabilität der Gesellschaft einzusetzen.
Die Geschichte der Nachhaltigkeit
Bereits Anfang des 18. Jahrhunderts wird der Gedanke von Nachhaltigkeit erstmals für die Forstwirtschaft formuliert. Hans Carl von Carlowitz schreibt 1713 von der „nachhaltenden Nutzung“ von Wäldern, denen man langfristig nur so viel entnimmt, wie nachwachsen kann.
Breitere Popularität und politische Aufmerksamkeit erhält der Begriff allerdings erst zu Beginn der Umweltbewegung in den 1970er Jahren, in deren Folge es zur Einrichtung von Umweltministerien in Europa (z.B. seit 1971 in Österreich) und zur Gründung von großen Umwelt-NGOs (z.B. Global 2000 im August 1982) kommt. 1972 findet die erste Weltumweltkonferenz in Stockholm statt, 1992 dann die sehr erfolgreiche UN-Konferenz zu „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro.
In Europa wurde 2001 in Göteborg die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet und 2006 überarbeitet. Österreich hat seit 2002 eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie.
Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit äußert sich auf drei Ebenen: in der ökologischen Dimension (Umwelt), in der ökonomischen Dimension (Wirtschaft) und in der Sozialen Dimension (Gesellschaft). Oft wird Nachhaltigkeit mithilfe eines Säulenmodells dargestellt. Dieses Modell suggeriert allerdings, dass es sich bei den Säulen um abgeschlossene Sphären handelt, was in der Realität üblicherweise so nicht zutrifft. Das „Nachhaltigkeitsdreieck“ löst dieses Problem, da deutlich wird, dass die Dimensionen der Nachhaltigkeit miteinander in Verbindung stehen. Teilweise wird im wissenschaftlichen Diskurs auch von einer vierten Dimension der Nachhaltigkeit gesprochen, die teils als „Kultur“, teils als institutionelle Dimension – im Sinne von Governance und politischen Steuerungssystemen – bezeichnet wird.
Nachhaltigkeit als Gerechtigkeitsprinzip
Das normative Konzept der Nachhaltigkeit dreht sich um die Frage der Gerechtigkeit. Ohne einen Begriff der Gerechtigkeit verliert die Nachhaltigkeitsidee ihren Sinn, denn sie wird bestimmt durch die Frage nach gerechter Verteilung zwischen den heute lebenden Menschen und zukünftigen Generationen, und damit auch nach einem gerechten Verhalten gegenüber den Mitmenschen, zukünftig lebenden Menschen und gegenüber der Natur selbst. Nachhaltigkeit beruht auf dem ethischen Postulat, dass allen Menschen unabhängig von ihrem Geburtsort (intragenerational) und ihrem Geburtszeitpunkt (intergenerational) das Recht auf ein gutes Leben zusteht.
Durch die Fokussierung auf die ökologische Dimension tritt die Forderung nach einer gerechten Verteilung als Grundprinzip der Nachhaltigkeit in den Hintergrund.